„Erlebe die Wölfe“ in Stemwede

Oppenwehe/Oppendorf - Von Kai Pröpper. „Erlebe die Wölfe“ – einen passenderen Slogan hätte das Wolfcenter aus Dörverden nicht auf die Schilder drucken können, die seit ein paar Tagen in Stemwede am Straßenrand hängen. Nils und Denise Möller aus Oppendorf lachen trocken, als sie am frühen Nachmittag daran vorbeifahren.
Eines ihrer Texel-Schafe hat einen Wolf in Oppenwehe „erlebt“. Das ist seit Freitag amtlich. Das trächtige Tier ist seit Anfang Januar tot. Es wurde eingeschläfert. Zu stark waren seine Verletzungen an den Beinen. Der Wolf ist nach 170 Jahren zurück in Nordrhein-Westfalen.
Ende Dezember hat er das Schaf angegriffen. Möllers und Wolfsberater Horst Feldkötter aus Bünde gingen damals von einer Attacke eines wilden Hundes aus. Zu hart waren die Bissspuren, zu tölpelhaft das Verhalten des Angreifers (umgerissener Elektrozaun) und zu häufig die Sichtungen von streunenden Hunden in der Gegend.
Kurz nach 11 Uhr klingelt am Freitag das Telefon in Oppendorf. Ein Vertreter des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ist dran und hat eine Nachricht, die die Gemüter erhitzen und Meinungen teilen wird.
„Ich war geschockt, da habe ich nicht mit gerechnet“, erinnert sich Denise Möller. Seitdem sind rund zwei Stunden vergangen. Die ersten Pressevertreter sind auf dem Weg zum Hof der Möllers, Wolf- und Luchsberater Horst Feldkötter sitzt schon am Küchentisch. Sohn Ben (3) läuft aufgeregt weinend durchs Haus, weil er mehrfach nicht der erste an der Eingangstür ist, Sohn Tim (8) liegt ermattet auf der Couch. „Ich war so perplex, dass ich einfach sprachlos war“, erklärt Nils Möller im Stimmengewirr zum Testergebnis der DNA-Probe. „Ich hab da im Leben nicht dran geglaubt.“
Der Tagesablauf der jungen Familie ändert sich schlagartig. Denise verschiebt ihren Arbeitsbeginn, Hausmann Nils muss statt seiner beiden Jungs Pressevertreter „hüten“. Während er mit einem Kamerateam an den „ungereinigten Tatort“, eine Weide im Oppenweher Ortsteil Bulzendorf mit Wollresten des Opferschafes, fährt und friert, bleiben seine Frau und die Kinder daheim, um ein Interview fürs Radio zu geben.
„Man wurde immer belächelt“
„Man wurde immer belächelt“, erinnert sich das Familienoberhaupt auf dem Weg nach Bulzendorf an Gespräche im Dorf nach der Attacke. „So ein Aufriss wegen eines wilden Hundes“, habe es geheißen. Beim Bäcker im Ort habe man sich dann vor einigen Tagen erzählt, es sei ein Wolf gewesen. An diesem Tag bekamen Möllers auch einen Brief mit der Ankündigung, dass die DNA-Probe geprüft werden würde. Und nun? Der Spott dürfte Aufregung oder – für Oppenwehe typischer – mehr Humor gewichen sein. Ein Sketch beim Bünselmarkt-Dorfabend 2015 ist dem Wolf sicher.
Für die Schäfer-Familie geht nun alles seinen Gang. Das Land werde ihn durch die Tierseuchenkasse für das tote Schafe entschädigen, sagt Nils Möller. Was ihm keiner zahlt, sind die zehn toten Lämmer der unangetasteten Mutterschafe. Es sind Frühgeburten, die der 35-Jährige der Hatz durch den Wolf zuschreibt. „Es wird nur das ersetzt, was offensichtlich ist.“
Auf der von vereinzelten Wohnhäusern umgebenen Weide mit den Wollspuren soll der Familienvater vor laufender Kamera Fragen beantworten. Er beschreibt den Verlauf der Attacke und die Nähe zum niedersächsischen Landkreis Diepholz, wo man schon seit längerem auf den Hund, pardon, Wolf gekommen ist.
„Wir müssen unsere Schafe mehr schützen“, drückt der Befragte seine Sorge aus. Die Tiere seien 350 Tage im Jahr draußen, man könne sie nicht 24 Stunden am Tag beaufsichtigen. Dass Naturschützer den Wolf in NRW wollten, sei ja schön, doch wäre seine Herde ausgebrochen, auf die Wagenfelder Straße gelaufen und es hätte einen Unfall mit toten Menschen gegeben, sagt Nils Möller, dann „hätte man ein größeres Problem als ein totes Schaf“.
Weiter geht es im Anschluss immer tiefer ins Moor, wo eine Schafherde weidet. „Können Sie auf den Zaun zugehen?“, fragt der Kameramann Nils Möller. „Dann mach ich aber erst den Strom aus“, schmunzelt der Oppendorfer und läuft los. Der Wolf machte den Strom nicht aus. Wenig später stoßen Denise Möller mit den Söhnen Ben und Tim, Horst Feldkötter und der Mann vom Radio zum fröstelnden Herrentrupp.
Wolfsberater Feldkötter, er ist auch Mitglied des Landesfachausschusses des Naturschutzbundes, stellt sich am Rande der Weide auf unruhige Tage ein. „Es ist sehr gut, dass wir die DNA-Probe genommen haben“, sagt er rückblickend. Dass der Wolf irgendwann nach NRW zurückkehren würde, sei klar gewesen. Man habe darauf „mehr oder weniger“ gewartet.
Auf dem Heimweg haben Möllers Zeit für eine kurze Lagebesprechung und Rückschau. Der Tonmann hatte bei einer Aufnahme vergessen, sein Handy auszuschalten, was für Nils Möller eine Wiederholung seiner Antworten bedeutete. Denise Möllers Radiointerview musste zum Teil wiederholt werden, weil der Fernseher im Hintergrund lief. Möllers haben sich fürs Erste gut geschlagen im Umgang mit den Medien. „Beim nächsten Mal sind wir schlauer.“ Und ein nächstes Mal wird es in den kommenden Tagen sicher geben. Das öffentliche Interesse am Wolf ist ungebrochen.