1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Diepholz

Mit Drill zur „idealen Frau“

Erstellt:

Kommentare

Waltraud Israel (l.) und Gisela Buschmann (r.) bestaunen ein besonderes Aussteuerstück von Bärbel Ehrmann-Köpke.
Waltraud Israel (l.) und Gisela Buschmann (r.) bestaunen ein besonderes Aussteuerstück von Bärbel Ehrmann-Köpke.

Bassum - BASSUM (al) · Wer braucht heutzutage noch 140 Tischdecken, 500 Servietten und einen lebenslangen Vorrat an Bettwäsche? Noch vor 50 Jahren durften diese Haushaltsgüter in keiner Aussteuer-Truhe fehlen. Und während der Bruder zum Geburtstag über ein Spielzeugauto frohlockte, durfte sich das Mädel für die 50. Tischdecke bedanken. „Da kam Freude auf“, schmunzelt Bärbel Ehrmann-Köpke. Die Autorin aus Helldiek hat ihre Dissertation über „Handarbeitende Frauen im hansestädtischen Bürgertum des 19 Jahrhunderts“ geschrieben und wird am 12. März im Rahmen des Frühstücks der Land-Frauen einige Leseproben geben und einen Vortrag halten.

Auch wenn es sich bei dem Werk „Demonstrativer Müßiggang oder rastlose Tätigkeit“ um eine wissenschaftliche Studie handelt, so ist das Buch weit weniger trocken als man anfangs vermutet. Es ist sogar sehr unterhaltsam. Denn zahlreiche Zitate und die aus heutiger Sicht absurden häuslichen und schulischen Erziehungsmethoden für Mädchen sorgen bei den Lesern für Heiterkeit. Etwa wenn die Mutter ihr sittsames Töchterchen in der Strickschule besucht und diese stolz ein „grau-braunes selbstgestricktes Gewebe“ präsentiert – den eigenen Strumpf.

„Handarbeit entsprach dem weiblichen Idealbild, Frauen wurden darauf gedrillt, sie wurden diszipliniert, mussten ständig beschäftigt sein, denn hinter einem äußerlichen Unbeschäftigtsein stand das Schreckgespenst des Bösen“, hat Bärbel Ehrmann-Köpke herausgefunden.

„Ich habe das Buch den Frauen gewidmet, die über Jahrhunderte ihr Können durch textile Kostbarkeiten überlieferten und auch denjenigen, die mit dem Erlernen der textilen Fertigkeiten mehr Frust als Lust verbinden“, heißt es im Vorwort.

Bärbel Ehrmann-Köpke selbst liebt Handarbeiten aller Art, bis auf Klöppeln. Außerdem sammelt sie seit ihrem 20. Lebensjahr unterschiedliche Handarbeiten, seien es Sticktücher aus dem Jahr 1892, moderne Patchworkdecken aus Amerika oder altes Leinen.

Einige ihrer Lieblingsobjekte wird sie am 12. März im Rahmen des Frauenfrühstücks ausstellen. Denn die Land-Frauen haben nicht nur ein geselliges Essen mit Vortrag geplant, sondern bereiten, passend zum Thema Aussteuer, eine Ausstellung vor. „Ich habe als Kind noch Bettwäsche geschenkt bekommen“, erinnert sich Waltraud Israel an ihre Aussteuer-Truhe. Und auch Gisela Buschmann hat diese Tradition noch kennengelernt. „Wir haben unsere Ortsvertrauensfrauen angesprochen und schon einige schöne Stücke für die Ausstellung beisammen“, freut sich Israel.

„Die Aussteuer war früher ein Statussymbol“, sagt Bärbel Ehrmann-Köpke. Während in ländlichen Gegenden mehr Wert darauf gelegt wurde, dass die so genannte Mitgift Haushaltsgüter aller Art beinhaltete, stand im Bürgertum mehr das Repräsentative im Vordergrund. „Schon früh wurde mit dem Sammeln und Anfertigen begonnen“, sagt die Autorin. Ungeheuer viel Kapital sei aufgewendet worden – Kapital, das allerdings keine Zinsen brachte.

Bärbel Ehrmann-Köpke hat an ihrer Dissertation sechs Jahre lang gearbeitet. 2010 wurde das Buch veröffentlicht, im Waxmann Verlag.

„Es kommt gut an“, freut sich die Bassumerin, die derzeit in der ganzen Region gefragt ist und zu Vorträgen und Lesungen eingeladen wird. „Am meisten freut es mich immer, wenn ich hinterher mit den Zuhörern, meistens Frauen, diskutieren und auch an die eigenen Erinnerungen anknüpfen kann“, sagt die Autorin.

Das Frühstück beginnt am 12. März um 9 Uhr im „Gasthaus zur Post“ in Neubruchhausen. Anmeldungen sollten bis zum 8. März eingehen bei Annelore Böse, Tel. 04241/971037, Waltraud Israel, Tel. 04241/1349 oder Gisela Buschmann, Tel. 04241/3572.

Auch interessant

Kommentare