Anfänger stoßen beim Fahrtraining an ihre Grenzen

Martfeld - Von Alisa Castens. Es gibt zahlreiche Arten von Autofahrern: Drängler, Schleicher, Parkplatz-Blockierer und diejenigen, die ihr Auto in eine fahrbare Disco verwandeln. In der Fahrschule lernt man eigentlich, wie es richtig geht.
Doch nach der Prüfung ist alles wieder vergessen. Polizei, Landkreis, Fahrschulen und die Feuerwehr versuchen junge Fahrer im Seminar „JuFa“ rechtzeitig auf Fehler aufmerksam zu machen, bevor sich falsche Fahrweisen einschleichen. Ins Leben gerufen wurde das Fahrtraining aufgrund der vielen Unfälle von Jugendlichen im Landkreis.
Seminarleiter und Fahrschullehrer Dietmar Selent begrüßt die 15 jugendlichen Teilnehmer. Unter ihnen sitze auch ich, bereits seit über einem Jahr bin ich stolze Besitzerin eines Führerscheins. Ich bin gespannt darauf, was mich erwartet.

„Wir wollen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor euch stehen, sondern unsere Erfahrungen mit euch teilen“, stellt Dietmar klar. Unfälle nach einem Discobesuch sind nicht mehr so häufig – mittlerweile sei Übermüdung ein großes Problem. Das bestätigen auch die übrigen Seminarleiter Markus Sander, Lothar Timmer, Uwe Timmermann von der Kreisverwaltung sowie Bernd Lübbering, Ulf Gräper und Thomas Gissing vom Präventionsrat der Polizei.

In Gruppenarbeit tragen ich und die Seminarteilnehmer mögliche Unfallursachen zusammen: Das Überschätzen der eigenen Fahrleistung am Steuer, das Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss, das Fahren bei lauter Musik sowie trotz Müdigkeit. Bei der Frage, wer schon einmal am Steuer eine SMS verschickt habe, melden sich fast alle Teilnehmer. Und auch bei der Frage, wer schon eine wirklich brenzlige Situation erlebt habe, gehen viele Finger hoch. Ich erinnere mich an eine Situation, kaum eine Woche her: Ein anderer Fahrer überholt einen Lkw, kommt mir plötzlich entgegen, und ich muss stark abbremsen. Eine Situation in der mir klar wurde, dass man für andere Verkehrsteilnehmer mitdenken muss.
Um Gefahren zu vermeiden, gibt Fahrschullehrer Dietmar Selent Tipps: „Wenn ihr merkt, dass ihr unaufmerksam werdet, dann macht eine Pause, bewegt euch und holt den Picknick-Koffer raus.“ Auf keinen Fall Energy-Drinks trinken. Sobald der Körper das Getränk abgebaut hat, kommt es schnell zu Ermüdungserscheinungen. Und wenn die SMS mal wirklich dringend ist, muss eben den Beifahrer die Antwort tippen.
Voll auf die Bremse bei 70 km/h
Nach der Theorie wird es ernst: Wir machen ein Gefahrensicherheitstraining oder drehen eine Runde mit Fahrlehrer. Zwei andere Teilnehmer sitzen auf der Rückbank und weisen mich auf meine Fehler hin.
Anschließend gibt es einen kleinen Exkurs in Pannenhilfe: Wir üben die Handgriffe beim Abschleppen, und die Seminarleiter zeigen uns das Überbrücken.
Dann geht‘s raus auf den Übungsplatz, der genug Raum bietet für Bremsübungen und Slalomfahrten. Nach dem Kontrollieren der Sitzeinstellung folgen Vollbremsung bei 30, 50 und 70 Stundenkilometern. Sofort merke ich, dass es Überwindung kostet, mit voller Kraft auf die Bremse zu treten. Und auch höhere Geschwindigkeiten stellen ein unüberwindbares Hindernis für meinen Twingo dar: Denn auch mit Dietmar Selent auf dem Beifahrersitz (oder gerade deswegen?), kann mein Auto auf der kurzen Strecke nicht auf 70 Stundenkilometer beschleunigen.
Richtig dankbar für meinen kleinen Wagen bin ich beim Slalomfahren. Den ein oder anderen spöttischen Blick kann ich mir nicht verkneifen, wenn so mancher mit seinem großen Auto die Hütchen platt fährt.
Das Highlight des Seminars: Die Fahrt mit einer sogenannten Rauschbrille. Sie gibt dem Träger das Gefühl, 1,4 Promille Alkohol im Blut zu haben. Ich setze mich damit hinter das Lenkrad und fühle mich völlig hilflos. Die anderen Teilnehmer lotsen mich. Und als hätte es das Radio gewusst, spielt es das Lied „Alkohol“ von Herbert Grönemeyer. Trotz des Spaßes, den wir alle zusammen haben, schreckt die Übung uns ab.
Beim Blick auf meine Mitstreiter wird mir am Ende des Seminars klar, dass dieser Tag viel in den Köpfen bewegt hat. „Super“ und „Klasse“, ist das Resumee, dem ich mich nur anschließen kann.