Das wohldosierte Glück

Bremen - Von Viviane ReinekingAusschlafen, relaxen und mit der besten Freundin stundenlang shoppen – das klingt verlockend. Doch zu einem erfüllten Tag gehören auch ganz alltägliche Dinge wie Hausarbeit und der Weg zur Arbeit. Wie ein – zumindest aus wissenschaftlicher Sicht – „perfekter Tag“ aussieht, ermittelte Glücksforscher Dr. Christian Kroll von der Jacobs Universität.
Im Königreich Bhutan ist das Bruttoglücksprodukt der oberste Maßstab, in Deutschland diskutiert eine Enquete-Kommission über Glück und Zufriedenheit, als Schulfach ist das Glück – beispielsweise in Bremen an der Oberschule an der Schaumburger Straße – weiter auf dem Vormarsch. Einen Beitrag zu den Bestrebungen, Glück und Wohlbefinden zu messen, leistet eine deutsch-amerikanische Studie, die jetzt im Wissenschaftsmagazin „Journal of Economic Psychology“ veröffentlicht wurde. 106 romantische Minuten mit dem Partner, 78 Minuten Zeit zum Relaxen, 68 Minuten für sportliche Aktivitäten und 74 Minuten zum Essen – der „perfekte Tag“ scheint nicht besonders aufregend, ist aber vor allem eines: abwechslungsreich. Dazu natürlich wissenschaftlich konstruiert, oder besser: optimiert.
Kroll und sein Kollege Dr. Sebastian Pokutta vom
Georgia Institute of Technology fanden heraus, welche Aktivitäten Frauen für wie lange über den Tag verteilt ausüben müssten, um einen „perfekten Tag“ zu erleben. Dafür werteten sie Daten einer früheren Befragung des Psychologen und Nobelpreisgewinners Daniel Kahneman aus.
900 berufstätige Frauen wurden hier danach befragt, was sie am Vortag gemacht hatten und wie sie sich dabei fühlten. Auf den genannten Emotionen aufbauend, zogen sie Methoden der Optimierungsforschung hinzu, die sonst bei Produktionszyklen in der Industrie zum Einsatz kommen, um den „perfekten Tag“ zu errechnen.
„Die befragten Frauen fühlen sich am wohlsten, wenn sie Zeit mit ihrem Partner, mit Freunden oder mit Entspannung verbringen“, so Kroll. Doch nicht nur positive Aktivitäten sind vertreten, vielmehr sind alle gleichmäßig über den Tag verteilt: Soziale Kontakte (82 Minuten), Einkaufen (56 Minuten), Fernsehgucken (55), Zeit am Computer (48), Zeit für die Kinder (46) sowie Beten und Meditieren (73) gehören zum „perfekten Tag“. Genauso aber auch 47 Minuten für die Hausarbeit. Grund für die Abwechslung: „Das Vergnügen in der ersten Stunde einer Aktivität ist größer als das nach drei Stunden derselben Aktivität.“ Dem liege eine Art Sättigungs- oder Gewöhneffekt zugrunde. Außerdem sei manches gerade deshalb attraktiv, weil man so selten dazu komme – eine mögliche Erklärung für die genannte Hausarbeit.
Als Ausgangspunkt der Studie diente ein normaler Arbeitstag. Auch deshalb findet sich das Pendeln zur Arbeit mit 33 Minuten wieder. Und die Erwerbsarbeit: Nur 36 Minuten sind am errechneten „perfekten Tag“ dafür vorgesehen. In der Praxis ließe sich dieser daher eher an einem Sonn- als an einem Montag realisieren, so die Forscher. „Der Unterschied zu dem, wie Menschen tatsächlich ihren Tag verbringen und wie sie einen perfekten Tag verbringen würden, zeigt, dass es viele Zwänge gibt, die dies verhindern.“
Vielmehr als eine praxisnahe Anleitung sei „die Studie ein wissenschaftlich fundiertes Gedankenexperiment, das Aufschluss darüber gibt, welche Prioritäten Menschen setzen würden, um mehr Wohlbefinden zu erreichen, hätten sie die Freiheit, ihren Tag selbst zu gestalten“, so Kroll.