Trifft ein Mensch eine Maschine

Bremen - Von Rainer Beßling(Eig. Ber.) n Norman Whites „Helpless Robot“ tritt hölzern auf und agiert mechanisch. Im Kern aber offenbart die Skulptur äußerst menschliche Züge.
Betritt der Besucher der Bremer Weserburg den Ausstellungsraum, spricht ihn das Kunstwerk direkt an. „Excuse me...have you got a moment?“ Lässt man sich auf den Dialog ein, folgt eine Aufforderung: „Could you turn me just a bit to the right?“ Bewegt man die Griffe der Figur wie gewünscht, kommt allerdings kein Dank, sondern ein Nörgeln über eine vermeintliche zu weite, zu schnelle Drehung.
Eine Korrektur des eigenen Handelns ist nicht zu empfehlen, denn der Roboter merkt schnell, ob sich sein Gegenüber herumkommandieren lässt. „Helpless Robot“ zu ignorieren, ist aber auch kein guter Rat, denn dann wird dieser wütend. Lässt man ihn schließlich verärgert oder genervt zurück, verzehrt er sich hörbar in Selbstmitleid – wie gesagt, ein durchaus menschliches Repertoire. In seiner extrovertierten Hilflosigkeit unterläuft der Roboter hingegen übliche Vorstellungen von der mechanischen Spezies. Kein schlechtes Verfahren, um Erwartungen an einen maschinell gestützten Alltag zum Thema zu machen.
Wie Mensch und Maschine miteinander korrespondieren, wie Neuronen und Elektronen sich begegnen, wie Technologie Menschen verbindet und zugleich etwas über ihr eigenes Wesen und die Eigenarten von Lebewesen verrät, davon handeln die Apparaturen von Norman White.
Für sein Gesamtwerk ist dem 1938 geborenen Kanadier im vergangenen Jahr der „d.velop digital art award“ (ddaa) verliehen worden, den die Kunsthalle Bremen zusammen mit dem Digital Art Museum Berlin verleiht. Die mit der Auszeichnung verbundene Ausstellung findet wegen des Kunsthallenumbaus diesmal in der Weserburg statt. Morgen um 19 Uhr ist Eröffnung.
Nach zwei Preisträgern aus der klassischen Computergrafik ist mit White ein Grenzgänger gewählt worden, der Rechner gestützt Vernetzung und Komplexität, Kommunikation und Interaktion in und mit Maschinen thematisiert und Elektronik und Mechanik dabei zwischen Kabelchaos und Struktur als verwirrendes Faszinosum zeigt.
Als „Künstler“ will sich Norman White nicht verstanden wissen. Der Begriff ist ihm zu ambitioniert, gespreizt und vage. Der Kanadier, gelernter Biologe und ambitionierter Akademie-Lehrer, der eine ganze Generation von Medienkünstlern seines Landes geprägt hat, sieht sich eher als Forscher. Allerdings als ein Wissenschaftler, der mit ästhetischen Mitteln ein Empfinden für die Funktionsweise von Maschinen, für den Pendelschlag zwischen Chaos und Ordnung vermitteln möchte, für eine Polarität, die Dinge, Menschen, Zusammenleben, das Universelle bestimmt.
Aus Whites malerischen, rasch wieder beendeten Anfängen präsentiert die Ausstellung ein Tafelbild, das Kabelstränge in einem undurchsichtigen, formal dennoch ausgewogenen Zusammenspiel zeigt. In einem jüngeren Bild bricht der „Künstler“ das klassische Format ironisch: In einer abstrakten Farblandschaft öffnet sich plötzlich ein Loch. Ein Auge tritt heraus, blickt den Betrachter an, kurz nach links und rechts, um sich dann wieder aus dem Kunstraum zu verabschieden.
Humor und Ironie, vor allem aber das Spielerische, Überraschende und Skurrile kennzeichnen die Low-Tech-Apparaturen von White. Sie repräsentieren größtenteils eine Phase der Technologie, die sich noch halbwegs dem Verständnis des Durchschnittsbürgers eröffnet. Die Objekte legen Gedanken und Geist des Experiments offen, das einer Frage oder These folgt und sich vom Tun leiten und überraschen lässt.
So liegen in den Maschinen-Skulpturen des Kanadiers in aller Regel Drähte, Röhren, Kondensatoren hinter Plexiglas vor den Augen des Betrachters. Einige der Objekte aus den 70er und 80er Jahren sind offenkundig von der strengen Ästhetik des Minimalismus beeinflusst. Wenn sich Walzen drehen und Dioden leuchten, ist das Zusammenspiel von Elektronik und Mechanik überschaubar. Immer wieder wird der Betrachter angesprochen und zur Teilnahme aufgefordert. Manche Maschinen kommen erst durch ihn in Gang. Farbige Lampen spielen mit rhythmischem Klanghintergrund Lichtorgel, Schalter erlauben es, Tempo und Richtung der Leuchtbewegungen zu beeinflussen. Eine „four letter word“-Maschine kombiniert nach einem Zufallsprinzip Buchstaben. Vieles fällt aus dem englischsprachigen Raster, der Betrachter entdeckt einen deutschen Begriff und wartet auf die versprochenen bösen Wörter.
In einem Kasten mit Maschendraht ertönt Musik und schlagen Plastikstreifen mehr oder weniger schnell und aufgeregt gegen die Abdeckung. White lässt den Stress einer Klavierstunde sinnfällig werden, die er in der Nachbarschaft seines Ateliers mithören musste.
Dass seine Installationen „die vielen Fragen der Mensch-Maschine-Interaktion, der menschlichen Perzeption oder auch der künstlichen Intelligenzforschung ihrer Zeit kongenial hinterfragen und den Besucher spielerisch zu Ausein andersetzungen anregen“, machte Norman White für die Jury preiswürdig. Bleibt zu ergänzen, dass Anarchie und Witz dieses Tüftler-Philosophen puren Spaß bereiten und Technologie mit nostalgischem Charme als Mitspieler auftritt. Dass White seine Ausstellung „We Fix Toasters“ nennt, zeigt, dass er sich auch für das Unreparierbare empfiehlt.
(Eröffnung morgen, 19 Uhr, bis 8.11., Katalog)