Gruppensex mit Sonnenuntergang

Von Johannes BruggaierBREMEN (Eig. Ber.) · Ist der Tod nicht schrecklich genug, erweckt man ihn zum Leben. Der blanke Schädel grinst dann noch fieser, als die Natur es ohnehin vorgibt, seine Augenhöhlen sind noch tiefer, und auf der Stirn werden Zornesfalten sichtbar. So zu sehen in der Piraten-Ikonografie der Gothic- und Heavy-Metal-Szene oder auch auf modischen Accessoires von Fußballfans.
Bei Tom Gefken ziert diese verlebendigte Version eine Hausfassade, ein Malermeister legt noch letzte Hand an. Das Gebäude auf dem Bild: Es müsste also ein Haus des Todes sein, wenn nicht gar dessen gesteigerte Form, der ästhetisierte, noch schrecklichere, tödlichste Tod. Natürlich markiert der Totenkopf das exakte Gegenteil.
In diesem Haus steckt Leben, eine höchst vitale Jugend-WG womöglich, die mit dem martialischen Fassadenbild ihr Aggressionspotenzial zur Schau stellt.
Denkbar lebendig geht es auf Hausfassade Nummer zwei zur Sache. Hände bedecken freie Brüste, unten baumelt ein Penis, rechts deutet sich eine Masturbationsszene an, oben streicht eine Schwangere über ihren nackten Bauch. Das pralle Leben wirft Johann Büsen an die Wand des mehrstöckigen Wohnblocks. Und doch scheint es, als stehe auch hier der Schein im Widerspruch zum Sein, als zeugten all die sexuell aufgeladenen Zeichen von der Trostlosigkeit im Inneren des Hauses.
Den Symbolen unserer Öffentlichkeit geht es in der gemeinsamen Ausstellung von Gefken und Büsen an den Kragen: Nichts steht für das, für was es zu stehen vorgibt. Das gilt auch für „Mutti‘s Papa“. An Familienglück lässt der Titel denken. Doch was sich in dem raumfüllenden Panorama abbildet, ist ein Familienglück der anderen Art: Gruppensex mit ans Absurde grenzenden Körperhaltungen, eine traurige Gestalt mit Irokesenschnitt und Sado-Maso-Kostüm. Dazwischen ein vordergründig bürgerliches Wohnhaus, das eine Markise besitzt, auf dem Dach jedoch die markante Aufschrift „Mutti‘s Papa“ trägt: ein Swingerclub ist das oder ein Bordell, nur nicht die gute Stube eines Kleinbürgers. Weiter rechts geht gerade die Sonne unter. Doch anstelle von Abendromantik zeigt sich eine Untergangsstimmung im wörtlichen Sinne, blickt uns doch von der Seite bedrohlich ein Kampfhund entgegen. Was fehlt: die Leine.
Büsen und Gefken hinterfragen tradierte Wahrnehmungsmuster und brechen mit eingeübten Decodierungsformen. In ihren Bildern offenbaren vermeintlich unbestechliche Zeichen ihre täuschende Funktion, wird die Tarnung ihrerseits enttarnt. Das vereinfachte Bild hat als Bedeutungsträger ausgedient, weil sich die Wirklichkeit, die es beschreiben soll, in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat: Sie ist zu komplex.
Bis 26. November in der Galerie des Westens. Öffnungszeiten: Mi. 15-19 Uhr, Do. 15-21 Uhr, Fr. 15-19 Uhr.